Erinnerung an die Shoah und gesellschaftlicher Auftrag

von Ruth Weiss

Eindrücklich haben uns die Bilder aus Auschwitz Birkenau heute am 27. Januar 2025, dem 80sten Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers gezeigt, wie wichtig es für Europa und die Weltgemeinschaft geblieben ist, an den unvergleichlichen Horror des von Nazideutschland verübten Völkermords zu erinnern. Dies mit dem festen Willen, solchen Taten und der sie anfachenden menschenverachtenden Gesinnung nicht nur den Riegel vorzuschieben, sondern im Vorfeld den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern.

In einem Austausch mit Ruth Weiss hat sie uns angetragen, ihre Gedanken, besonders zum gesellschaftlichen Auftrag, noch einmal schriftlich wiederzugeben – im Auszug aus ihrer bewegenden Ansprache zum Holocaust Gedenken im Landtag von Nordrhein Westfalen 2023, die sehr aktuell bleibt.

Zitat Anfang: … […]

Meine Damen und Herren,

die dramatische Wirkung des Holocaust Films [Fernsehdokumentation 1979, ein Wendepunkt zur Erinnerungskultur ndr] ist längst verblasst. Ralph Giordano hat das Nachkriegsschweigen [der 1950er Jahre ndr] die 2. Schuld genannt.

Der zunehmende Judenhass darf nicht zur dritten Schuld werden!

Es ist deshalb zu loben, dass Einzelne und Institutionen sich mit der Vergangenheit beschäftigen, noch lebende Zeitzeugen befragen, Archive durchforschen und vieles mehr. Das Jahr 2021 war 1700 Jahren jüdischen Lebens in deutschen Gebieten gewidmet, dank einer Eintragung aus dem Jahr 321.

Wie begegnet man Holocaustleugnern und Verschwörungstheoretikern? Wie baut man Vorurteile ab, die Kernsteine des Hasses?

Wie können NS-Verbrechen besser erklärt werden, sodass die nächste Generation begreift, erlernt und verinnerlicht, das Derartiges nie wieder geschieht?

Eine Schuldirektorin sagte mir, die Jugend sei verstört, viele sprachlos über die aktuellen Probleme. Ihre Lehrer*Innen versuchen, Ängste im Klassenzimmer aufzufangen und Themen zu besprechen.

Die Geschichts- und Religionsunterrichte könnten Auseinandersetzungen mit Krieg, Gewaltherrschaft, Menschenrechten verstärkt berücksichtigen. Dazu erklären, warum die Torah, die fünf Bücher Moses, mit Grundsätzen einer gerechten Gesellschaft – wie das christliche Alte Testament – mit den anderen zwei monotheistischen Religionen verwandt ist.

Die Themen Antisemitismus, der große kulturelle Beitrag der Juden über 1700 Jahre wie auch der aller Immigranten seit dem 19. Jahrhundert, aber auch Islamphobie sollten ihren Platz im schulischen Unterricht finden – am besten als Debatten-Leitfaden mit einem erfahrenen Moderator*In.

Direkte Begegnungen bauen Vorurteile ab

Ruth Weiss und Lutz Kliche in einer Schule in NRW 2020 – Gerade zur Covid Zeit sollte der Dialog mit der jungen Generation nicht abreissen! (c) RWG

wie etwa das Projekt des Zentralrats der Juden „Meet a Jew“ sowie Besuche in Synagogen und Moscheen. Digitalisierung und Globalisierung ermöglichen u.a. Podcasts oder simulierte holografische Gespräche.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Susan Neiman [amerikanische Philosophin, Direktorin des Einstein Forums in Potsdam ndr] sprach von „der Fähigkeit zu hoffen“.

Eine inklusive harmonische Gesellschaft kann nur gemeinsam mit Gerechtigkeit, Respekt und Toleranz gefördert werden. Dieses Ziel, dazu eine Mehrheit, die antisemitische, anti-Islamische, anti-Ausländer Angriffe verurteilt und Vergangenheitsbewältigung gutheißt, erlaubt die Hoffnung auf eine Zukunft in Deutschland, in der antisemitische, fremdenhassende Übergriffe Geschichte sind, sodass kein Polizeischutz mehr für jüdische Einrichtungen benötigt wird.

Dieser Traumwunsch muss der Maßstab sein.

Eine Welt, um mit Adorno zu schließen, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können.

[Zitat Ende]