von Ruth Weiss
Ein medialer Blitzerfolg hat einen ungewöhnlichen noch nicht angekündigten Kandidaten vor den lokalen Aprilwahlen mitten in die rechten Parteien Frankreichs katapuliert. Der 63-jährige Eric Zemmour hat sich mit extrem rechten Parolen bereits in Szene gesetzt. Es scheint er könnte Marine Le Pen als führende Kraft der Rechten verdrängen und sogar Emmanuel Macron herausfordern.
Wenigstens hoffe ich, dass er ungewöhnlich ist was seine Herkunft anbetrifft. Der aufgehende Stern Zemmour ist ein algerischer Jude, im politischen Spektrum rechts von Le Pen, die diesmal eher daran arbeitete, ihre Nationale Allianz etwas zu mäßigen. Zemmour schaffte es, Schlagzeilen zu machen und im Fernsehen und Radio dadurch präsent zu sein, was sein Profil erhöhte.
Anscheinend fühlen sich viele und nicht nur im ganz rechten Lager von seiner Botschaft angesprochen. Diese scheint Aengste zu bedienen: die Angst vor Bürgerkrieg, vor Muslimen und deren Immigration und gar den Glauben an eine Verschwörungstheorie von einem vermeintlichen großen „Ersatz“ der einheimischen Bevölkerung mit Zuwanderern anderer Volksgruppen oder Vertretern anderer Religionen… Dies hat dem rechtsextremen Schriftsteller Renaud Camus Aufwind gegeben, der diese Theorie vor einigen Jahren propagiert hatte (und damit nachweislich das Attentat auf die Muslime von Christchurch/NZ inspirierte) und es ist zu befürchten, das ethnisierte Visionen der Nation nun mit diesem Rückgriff hoffähig werden. So redet Zemmour von nur-von-Ausländern bewohnten ‚Enklaven‘ und einem ‚Zusammenprallen französischer und islamischer Werte‘ – ohne diese zu nennen. Muslime nennt er „Kolonisten“. Von uns Frauen hält er auch nicht viel, wir hätten eben nicht die Stärke oder Führungsqualitäten der Männer…
Ich schauderte als ich Zemmours Aussagen las. Zwar bin ich kein Politiker, aber so mancher Satz kam mir vor wie ein Echo anderer Politiker aus der Vergangenheit, einer Vergangenheit, die wir meinten, hinter uns gelassen zu haben: hatte nicht Hitler vorgegeben, Juden seien Deutschlands Unglück? Oder hatten nicht Südafrikas Apartheids-Politiker die dort Mitte des letzten Jahrhunderts bekannte Angst vor der „swart gevaar“, der schwarzen Gefahr, geschürt?
Das Phänomen Zemmour gehört zu dem gefährlichen Rutsch nach Rechts, den wir nicht allein in Frankreich sehen, verursacht durch Schreckensbilder der Pandemie Covid 19 und deren wirtschaftlichen Folgen, sowie der Flüchtlings- und Migrantenbewegungen aus Konflikt- und Klimawandelgebieten in den letzten Jahren. Es wird leider nicht genug getan um die Kernursachen der letzteren anzugehen, egal wie schwer es sein mag, diese mit Erfolg für Mensch und Umwelt in den Griff zu bekommen.