von Ruth Weiss im letzten Monat des Jahres
LIEBE FAMILIE UND FREUND*INNEN!
„Diese Saison ist die schönste Zeit des Jahres!“
Dies ist ein Zitat, das ich mehrmals fand, als ich anfing, durch das Internet zu scrollen, um nach „Weihnachten“ zu suchen, der Jahreszeit, in der das Christentum die Geburt des Retters feiert. Weihnachten bedeutet auch ein Zusammentreffen der Familie, die sich an einem geschmückten, von Lichtern leuchtenden Baum erfreut. Dabei werden neben Geschenken auch Neuigkeiten ausgetauscht. Liebe und gute Laune dominiert.
So ist es jedenfalls in Ländern ohne Krieg und Hunger, Probleme durch Klimawechsel oder durch Covid oder Krankheiten wie Aids!
Leider musste ich daran denken. Kurz zuvor hatte ich diverse Meldungen von Nachrichtenagenturen gelesen, mit zu vielen Meldungen, die weit vom Jubel entfernt sind. Ein ehemaliger USA-Präsident hat gefordert, er solle wieder an die Spitze seines Landes eingesetzt werden, nach der Abschaffung der Verfassung, die er wohl mit Autokratie ersetzen würde. In Kenia hungern Menschen aufgrund einer anhaltenden Dürre, sodass Kabinettsmitglieder einen Monatslohn an Bedürftige spendeten und einen Sonderfonds gründeten. In Simbabwe erreichte der riesige Kariba-Staudamm, der 70 % des Landesstroms liefert, im November ein Rekordtief; Stromausfälle waren in den letzten Wochen fast die Regel. In Indonesien ist der Vulkan Mount Semeru ausgebrochen, wodurch 2.000 Menschen evakuiert werden mussten. Ich erspare Euch die Wiederholung der Ukraine und Nachrichten anderer Konflikte.
Doch zwei Ereignisse möchte ich doch erwähnen. Erstens, die Schüsse die Unbekannte auf das ehemalige Haus des Rabbiners in Essen im November schossen, was leider erneut den zunehmenden Antisemitismus beweist. Zweitens, den großen Einsatz der Sicherheitskräfte, um – man kann es kaum fassen – einen von Rechtsextremen geplanten Putsch zu verhindern! Anscheinend handelte es sich um eine bunte Gruppe Gleichgesinnter, die gegen die Demokratie und für Autokratie sind. Dass Islamophobie, Fremdenfeindlichkeit und selbstverständlich Antisemitismus dabei ihre Rolle spielen braucht kaum gesagt zu werden.
Meine Gedanken führten mich zu den schwierigen Zeiten, die manche/r in diesem Jahr erleben musste, wie den traurigen Verlust eines lieben Menschen, Krankheit und herbe Erlebnisse. Mögen gute Wünsche, Trost, Gedanken und Mitgefühl bessere Zeiten bringen.
Ich wandte mich etwas zu, das fröhlich sein soll, Chanukka – das Lichterfest, das Juden um diese Zeit feiern. In diesem Jahr beginnt der erste von acht Feiertagen, wenn es am 17. dieses Monats dunkel geworden ist. Dann wird die erste von acht Kerzen zeremoniell durch eine neunte angezündet, danach kommt an jedem Abend eine neue Kerze dazu bis alle acht gleichzeitig brennen. Es gibt traditionelle Speisen, Gesellschaftsspiele, Gesang, Gespräche und Gelächter.
Ich fand nicht sofort die traditionelle Geschichte, die ich als Kind stets gern hörte: vom Sieg der Makkabäer über die Griechen. Danach fand man nur einen einzigen Tagesvorrat an Öl, um das Ewige Licht der Menorah, dem 7-armigen Kandelaber, im wiedergewonnenen, gereinigten Tempel anzuzünden. Aber ein Wunder geschah! Der Vorrat reichte acht Tage, – gerade die Zeit, die es zum Herstellen von neuem Öl brauchte.
Ich fand beim Lesen auch eine andere bewegende Geschichte über eine Begebenheit, als 1945 Chanukka mit den Befreiern, unter ihnen auch Rabbiner, in ein KZ kam. Leichen lagen unbeerdigt im Lager. Den hungrigen, kranken Überlebenden fehlte es an allem, von Nahrung, Wasser bis zu sanitären Einrichtungen. Es gab keinen Kandelaber. Ein Holzschuh diente als Halter für ein Licht, die Fäden einer Uniform als Docht, Schuhcreme als Öl.
Rabbi Israel Spira von Bluzhov sang die ersten zwei Segen, dann drehte er zögernd den Kopf, ehe er den dritten sang, der dem Allmächtigen dankt, dass Er „uns am Leben erhalten und bewahrt“ hat.
Ein Überlebender aus Warschau fragte danach den Rabbi, wie er diesen Segen inmitten von Leichen und vielen kaum lebenden Skeletten singen konnte. Der Rabbi antwortete, er hätte gezögert und den Kopf zu den Rabbinern gedreht, die mit ihm gekommen waren. Da hatte er die lebenden Juden gesehen, „deren Gesichter ihren Glauben und Hingabe ausdrückten“, als sie dem Chanukka-Segen lauschten: „Er, der in alten Tagen zu dieser Jahreszeit, Wunder für unsere Väter vollbrachte“. Er sah es daraufhin als seine Pflicht an, den dritten Segen für sie zu singen. Sie brauchten die Unterstützung des Ewigen um das Überleben zu bewältigen.
Jahre danach erhielt der Rabbi eine Nachricht. Der Fragesteller schrieb, die Worte des Rabbis in jener schrecklichen Chanukka Nacht hätten ihn sein ganzes Leben begleitet und waren ihm zum Trost in schweren Zeiten geworden. Jeder benötigt Hilfe in bitteren Zeiten.
Das hielt mich vom weiterscrollen und von einem Überblick des Jahres ab. Alles richtet sich nach der Natur. Das ist es schließlich, worum es bei den Winterfesten geht, was immer sie sonst bedeuten: die Hoffnung ängstlicher Menschen, dass der Dunkelheit stets das Licht folgt. Auch im privaten Leben.
Ich hatte auch über einen Brauch der Angelsachsen zu Weihnachten und in der Zwölften Nacht gelesen, der aus den uralten Zeiten der alten Götter stammt. Entweder hieß das, man machte Hausbesuche, um Essen und ein Getränk für Gesang zu erhalten – heute bedeutet dies, dass Kinder Weihnachtslieder an der Haustür anbieten um Süßes zu erhalten – oder man besuchte Obstgärten, um Bäume mit Liedern und Sprüchen zu ermutigen, die eigentlich Gebete sind:
Wir bitten, uns Pflaumen und Birnen zu bescheren
Die sollen sich erheblich vermehren
Weil wir Euch mit unserm Gesang verehren!
In manchen britischen Grafschaften besingen die Einheimischen noch immer Bäume, um sie zu ermutigen zu gedeihen. In vorchristlicher Zeit hatte man ihnen ein Trankopfer, sowie Nahrung gegeben, um die Wintersonnenwende zu feiern.
Mir scheint, dass die Winterfeiertage darum bitten, dass die Dunkelheit wirklich nicht ewig sei und dass das Licht folgen möge. So, wie der Allmächtige Schmerzen mit der Zeit heilt und Trost spendet! Ist unser wunderbarer Planet, wo der Tag auf die Nacht folgt, dem Winter der Frühling, der dann dem Sommer weicht, nicht das größte aller Wunder, mit seinen großen und kleinen Geschöpfen, einschließlich der Flüsse und Ozeane, der Berge und Ebenen und dem ganzen Rest.
Die besten Wünsche, die ich Euch senden kann und hiermit tue, sind, dass es trotz allem eine gerechte Verteilung aller Ressourcen geben werde, sowie erfolgreiche Lösungen für die großen Probleme, vor allem die Überwindung von Vorurteilen und Hass, des Antisemitismus, Anti-Islamismus, und der Fremdenfeindlichkeit, damit der Frieden den Konflikten folgt. Daraus würde ein weiterer Wunschtraum erwachsen, das dass sich die Menschheit gemeinsam um die Gesundheit unserer Welt bemühen möge, um ihr – und damit unser – Überleben zu sichern.
Dazu wünsche ich frohe und besinnliche Weihnachtstage
und meiner Familie und den jüdischen Freund*Innen ein fröhliches Chanukka.
ALLEN GUTE GESUNDHEIT, ALLES GUTE, LIEBE, HEILUNG UND TROST IM KOMMENDEN JAHR!
Herzlichst
Ruth