Eine ausserordentliche Ordensverleihung : Ruths Südafrikareise (1)

(1) Ruth Weiss berichtet

Mein herzlicher Dank an die südafrikanische Regierung und Präsident Cyril Ramaphosa für die unerwartete große Ehre der Verleihung des “Companions of OR Tambo” Ordens!

    Ich bin S.E. Botschafter Stone Sizani dankbar, der dabei eine große Rolle gespielt hat. Ms.Laura Joyce, Counsellor Political danke ich für ihre unentbehrliche Hilfe, eingedenk der kurzfristigen Vorbereitungen für diese besondere Reise. Den Herren der südafrikanischen Botschaft in Dänemark, Mr. Solomon Dude, Mr. Komane und Mr. Sekwati mein Dankeschön für die Bewältigung der umfangreichen Logistik! Für die Gastfreundschaft in Südafrika möchte ich ebenfalls meinen ganz herzlichen Dank aussprechen.

    Und wie könnte ich vergessen, Konrad Melchers und der RW Gesellschaft nicht für alles dankbar zu sein!  für alles, das sie ohne mein Wissen über längere Zeit vorbereitet und mit anderen wie dem ehemaligen deutschen Botschafter Herrn Bussmann und weiteren, deren Namen mir nicht verraten wurden, ermöglicht hatten! Ich sagte schon, mein Beitrag zur Beendigung der himmelschreienden Apartheidsgesetze war eigentlich nur ein kleiner, verglichen mit dem so vieler anderen…

    Trotzdem: alles, auch die Reise selbst bedeutete etwas Großartiges für mich.

    Am 25. April sollten wir eintreffen, wurde mir mitgeteilt. Wir – mein Sohn Alexander, ich selbst und dank Konrad Melchers und der RW Gesellschaft auch mein 15jähriger Enkel Oliver.  

    Die Ankunft am 25. wäre uns um ein Haar nicht gelungen. Das Flugzeug aus Kopenhagen nach Zürich am 24. hatte eine grosse Verspätung, sodass ein junger Mann mit mir einen Rekordlauf durch lange Korridore veranstaltete, während ich mich an die Lehnen meines Rollstuhl klammerte. Unser Gespann war so schnell, dass Alex und Oliver, beide sportlich, Probleme hatten, uns nachzurennen, bis wir alle drei endlich das wartende Flugzeug Richtung Johannesburg, OR Tambo Flughafen erreichten.

    Nur gut, dass ich mir keine Vorstellung gemachte hatte, wie das Neue Südafrika aussehen würde. Das letztemal im Jahr 2011 war ich nur in Kapstadt gewesen. Nichts hatte mich auf den Weg nach Pretoria vorbereitet! In meiner Erinnerung an die 60er Jahre, als ich 1965 nach Deutschland auf eine Dienstreise ausgeflogen war, die mit einem Verbot der Rückkehr endete, war diese Distanz eine gemütliche kurze Fahrt. Man fuhr u.a. am Alexandra Towship -Alex – vorbei sowie am Halfway House, um zuletzt durch die breiten Straßen Pretorias zum Ziel zu gelangen. Und nun war das Luxusauto der Regieung, das uns nach Ankunft aus den VIP Aufenthaltsräumen nach Pretoria brachte, nur eins von einer endlosen Reihe anderer erstklassiger Wagen auf beiden Seiten. Wie mir gesagt wurde: ein gutes Auto und ein erstklassiges Handy sind Priorität, auch für nicht-Reiche! 

    Es gab kein “Alex”, zu dem Weiße wie wir zwischen Januar und Juni 1957 täglich illegal gefahren waren, um wenigstens einigen Township Afrikanern, die einen Boykott der Busgesellschaft wegen Erhöhung des Fahrpreises durchführten, einen Teil des 32km langen Wegs nach Johannesburg zu ersparen. Ich sah auch kein Halfway House oder Bedforview in dem ein altes Farmhaus meine letzte Adresse in Südafrika gewesen war. Unter vielen neuen Namen bemerkte ich gelegentlich bekannte wie ‘Hardebeesfontein’. Dazu endlose Reihen von verschiedenen großen und kleinen Unternehmen sowie Häuser beginnend mit prächtigen Villen bis zu kleinen Häusern in dazwischenliegenden Townships. Endlich kamen die Vorgebirge der Magaliesberge bis ich einen Hügel erkannte: dort stand das Voortrekker Monument, einst das Heiligtum der afrikaanssprachigen Südafrikaner, das deren Sieg am Blutfluß im Jahr 1838 über die Krieger des damaligen Zulukönigs darstellte. Dort hatten sie jährlich am 16. Dezember ihren Triumph gefeiert. Wie gut, dass dieser Tag nun der Tag der Versöhnung ist.

      Im Hotel wurden wir von dem deutschen, in Südafrika lebenden Filmmacher Giselher Venzke begrüßt, der stundenlang vergeblich am Flughafen auf das verspätete Flugzeug gewartet hatte. Jener Tag war praktisch unser einziger Ruhetag. Der Grund warum wir am 25.4. ankommen sollten, war eine lange Einführung in die Zeremonie der Verleihung mehrerer Orden. Der höchste ist der Companions des O.R. Tambo Orden.

Für mich war ein Höhepunkt, einen alten Freund unter den geehrten Südafrikanern zu treffen! Bokwe Mafuna, nun ein gut aussehender weißhaariger Mann in traditioneller Kleidung, der auch mich freudig begrüßte, denn wie er sagte ”dachte er nicht, dass ich noch lebte!” Wir hatten uns in Köln kennengelernt und blieben in Kontakt, während er u.a. in Frankreich lebte. Ihm verdankte ich die Bekanntschaft mit Jugendlichen – junge Frauen und Männer – die nach 1976 ins Ausland geflüchtet waren. Ich freute mich besonders, dass Ethel de Kayser geehrt wurde, die sich jahrzehntelang in London unermüdich um die Erziehung Jugendlicher im Exil bemüht hatte, – und war doch traurig, weil sie diesen Tag nicht mehr erleben durfte. 

Es war eine Freude, dass ein guter langjähriger Freund anwesend war! Rechtsanwalt Trevor McGlashan war vor 60 Jahren der „office boy“ bei der Financial Mail und der Jüngste unseres sehr engen Freundeskreises in der Redaktion, der später studiert hatte. – Pamela Ferguson war die zweitjüngste, die heute in Texas lebt, und auch sie nahm dank Emailaustauschs an der Zeremonie teil, wie auch die liebe Ann Hellmuth, meine einstige Mitbewohnerin in den letzten Jahren in Johannesburg, die in Florida lebt, wo sie eine goßartige Karriere als Journalistin hinter sich hat.

      Nach dem Freiheitstag hatte der Tag der Ordensverleihung um 09.00 begonnen – Eine Beschreibung des geschmückten Raumes, der großartigen Musik, der bunten Kleidung der Geehrten, Gäste und südafrikanischen VIPs würde Ihnen/Euch zuviel zumuten! Glaubt mir, es war alles bis ins letzte Detail gut organisiert – von Langeweile konnte man nicht reden. Nur eins blieb zwischen dem Präsidenten und den Geehrten, die noch vor Beginn der Zeremonie aus dem großen Saal in einen anderen begleitet wurden: Dort sprach Präsident Ramaphosa mit jeder/m Einzelnen, sodass auch Fotos gemacht werden konnten. Natürlich freute ich mich, dass er sich an eine unserer wenigen Begegnungen erinnerte, die in den frühen 1990er Jahren in Belfast stattgefunden hatte. Der heutige Präsident, damals ANC Sprecher und sein Kollege Roelf Meyer, Sprecher der Nationalen Partei, hatten während der ANC/NP Verhandlungen einen Vortrag dort gehalten, wo ich mich zufällig auch aufhielt!

     Judith Todd, die mutige Tochter des liberalen südrhodesischen  Premierminister Garfield Todd, der vom illegalen weißen Minoritätsregime unter Hausarrest gelebt hatte, sandte mir eine Mail aus Zimbabwe: you stole the show! Liebe Judy, nur weil ich die letzte und älteste war, deswegen erhielt ich Beifall, Zungenschläge und viel Empathie!

      Der Ehrung folgte ein Lunch, bei dem die Minister, Staatssekretäre und andere VIPs informell mit allen Anwesenden um die Tische saßen.

     Ab dem folgenden Tag hatte Herr Venzke und sein Team dann das Management über unsere Zeit übernommen. Diese Tage führten mich in die Vergangenheit zurück, zum ersten Haus, in dem meine Familie in Südafrika gelebt hatte und andere Orte, die ich einst gut kannte – und nun nicht wiedererkannte! Ein wichtiger Besuch war der zu den Gräbern meiner lieben Eltern. Ich konnte dort endlich Abschied von meinem Vater nehmen, denn mit wurde nicht mehr erlaubt, ihn während seiner letzten Krankheit zur Apartheidzeit zu besuchen.

      Bei unserer Tour waren wir an besonders traurigen Elendshütten vorbei gefahren, die neben kilometerlangen Schutthalden lagen. Eins der Anzeichen, dass trotz der demokratischen Verfassung, dem total von Afrikanern beherrschtem Landbild, Südafrika noch nicht den Stand Nelsons Mandelas perfekter Regenbogennation erreicht hat. Die heutige Regierung ist herausgefordert, viele Probleme zu bewältigen, zu denen die große Kluft zwischen Arm und Reich gehört.

    Mandela schrieb, es sei nicht genug, die eigenen Ketten abzuwerfen, sondern man muss auf eine Weise leben, die andere respektiert und fördert. Ein Ziel, das in heutiger Zeit voller  Rechtsschwung, Vorurteil und Verschwörungstheorien noch immer erkämpft werden muss. 

ICH WÜNSCHE SÜDAFRIKA UND EUCH ALLEN

ALLES LIEBE UND GUTE,

ruth