Die Reise in Zeiten der Epidemie

von Ruth Weiss

Beim Erschaffen von schrecklichen Tieren

schuf der G’tt auch die Viren

Er machte sie aber unsichtbar

Weil er damit nicht zufrieden war

nach dem Lüdinghauser Heimat-Dichter Franz Wittkamp

Liebe Familie, Freunde und Freundinnen,

das obige Zitat ist zeitlich zutreffend, mit dem eine meiner Freundinnen einen schönen Brief begann. Ich stahl dies für diesen Reisebericht über meine kürzliche Lesereise, die am 26. Juni begann und am 27. Juli endete.

Schüler der Ruth Weiss Realschule Aschaffenburg im Juli 2021 mit der Namensgeberin – Begegnung ist Lernen ! (c) A.Kropf RWG

Zu jeder Veranstaltung traten Lutz Kliche und ich mit Masken an (die wir während der Veranstaltung abnahmen), vor allem in Schulen, wo uns maskierte Schüler in den Gängen begegneten und wir ebenso in den Klassen empfangen wurden. SchülerInnen, sowie jeder Teilnehmer bei den Abendveranstaltungen, saßen nach Covid Regeln plaziert. In der 2. Hälfte der Reise, in Aschaffenburg (ohne Lutz) erkannte ich, wie streng die Schulen mit diesen umgingen, vor allem was Prüfungen anbetraf. Es muss die Schulfamilien überall viel Mühe, Schweiß und Organisationstalent gekostet haben – nicht nur die Maskenpflicht, sondern auch die in den Bundesländern unterschiedlichen Regeln – und natürlich der ungewohnte Distanz- und Wechselunterricht – bis endlich auch wieder zum Präsenzunterricht! Für die SchülerInnen muss das ebenfalls eine enorme Herausforderung und Anpassung gewesen sein – besonders für alle, die den Unterricht auf dem Handy verfolgen mussten, wobei es mir klar ist, dass ärmere Länder es noch viel schwerer haben.

Da ich der Pandemie bisher weitab städtischer Geschäftigkeit in dem alten Bauernhaus meiner kleinen Familie aus dem Weg gehen konnte, war ich an Masken kaum gewöhnt – und muss zugeben, dass ich einige maskierte Erwachsene im Lauf der Reise zuerst nicht erkannte!

Trotz allem war dies eine schöne Reise, die mit einem Videointerview über Kolonialismus für Exile e.V. begann, und von Zuschüssen anderer Förderer wie der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (evz) unterstützt wurde. Es folgte jeden Tag eine Veranstaltung, zuerst zweimal in einem Tecklenburger Gymnasium mit zwei gut vorbereiteten 9/10 Klassen zu UNESCO Projekttagen, über Demokratie und Toleranz, danach eine ebenfalls anregende Klasse einer Recklinghausener Schule, organisiert von der aktiven Frau Maria Voß.

Ruth Weiss und Lutz Kliche im Kunstmuseum Bochum Juli 2021 (c) K.Kleyboldt RWG

Am Donnerstag  versammelten wir uns im wunderbaren Museum in Bochum, dank den enormen Bemühungen unserer lieben Freundin Dagmar Wolf, und genossen in der herrlichen Atmosphäre das erstaunliche Interesse der Zuhörer.

Dasselbe konnten wir auch am Freitag in Recklinghausen in der großartigen Antonius Kirche mit Freude erleben! Dort ehrte uns die Anwesenheit der kirchlicher Würdenträger Pfarrer Grothe (den ich in Lüdinghausen kennenlernte), sowie Clemens Holtermann, der in Recklinghausen im Ruhestand lebende Bruder des nie vergessenen verstorbenen Lüdinghausener Oberbürgermeisters Josef Holtermann.

Lesung in der Antoniuskirche Recklinghausen (c) K.Kleyboldt RWG

Der Höhepunkt kam unerwartet als die wunderbare Stimme der südafrikanischen Sängerin Bonita Niessen ertönte und sie mich mit ihrem Gesang und wunderschönem Tanz entlang des Ganges zum Podium, ehrte und beschenkte -wofür ich ihr sehr herzlich danke! Bonita ist die Lebensgefährtin von Maria Voß` Sohn Benedikt.

Dit was heerlik, dankie Bonita!

Oberbürgermeister Tesche und Ruth Weiss bei der Pflanzung des Rosenbusches im Menschenrechtshain von Recklinghausen, 24.Juli 2021 (c)foto D.Vogel für RWG

Als ob das nicht genügte, erhielt ich wunderbare Rosen, die ich dann am Ende der Reise, nach einem Frühstück mit Recklinghausens Oberbürgermeister Christoph Tesche, in seiner Anwesenheit im Hain der Menschenrechte neben einer Gedenktafel eingepflanzt habe. Mögen sie gedeihen wie die Bäume aus allen Kontinenten, mit denen Mitglieder von Amnesty International vor zehn Jahren diesen Garten angelegt haben, um an die Rechte jedes Menschen auf Gerechtigkeit und Frieden zu erinnern!

Das Wochenende brachte liebe Besucher und war gefolgt von zwei Tagen Video Aufnahmen von Lutz Kliches Interviews mit mir über verschiedene Themen. Ein großes Dankeschön an Christoph Fleischer, ein echter Profi!

Danach verabschiedeten Lutz und ich uns aus Lüdinghausen und von unseren lieben privaten Gastgebern, um nach Sulzbach zu fahren. Mein letzter gemeinsamer Termin mit Lutz (der kurz danach in die USA flog) war in Frankfurt bei Nasrin Siege in einer Schule mit 80% Migranten! Es war eine anregende Stunde mit persönlich betroffenen ZuhörerInnen, und nicht das erste Mal, dass wir auf der Reise auf das ernste Interesse der new Germans stießen! Wir waren uns einig, dass diese etwas ganz Besonderes und ein Plus für Deutschland sind !

Nach einigen Tagen der Ruhe folgten dann an sieben Tage Gespräche mit Klassen verschiedener Jahrgangsstufen. Der neue Oberbürgermeister von Aschaffenburg Jürgen Herzing besuchte mich in der Schule zum morning coffee. Zusammen mit dem Schulleiter Strobel führten wir ein gutes Gespräch.

Am Ende folgte die Rückkehr nach Lüdinghausen und zu meinen Seppenrader Gastgebern, der Familie Honermann, um die erwähnte Veranstaltung im Menschenrechtshain zu genießen und meinen Geburtstag, vorgezogen, am am nächsten Tag zu feiern.

Ruth Weiss an ihrem 97sten Geburtstag (c) C. Fleischer RWG

Die RW Gesellschaft hatte dies organisiert, viele bekannte Gesichter die mich freundlich zum Kaffee und Kuchen willkommen hießen, und mir eine Überraschung nach der anderen schenkten. Zuerst das Zusammensein im herrlichen Raum des Pfarrheims, mit ihren zur Natur hin offenen Fenstern. Dort war ich über die große Anzahl der vielen Freunde und Freundinnen erstaunt, unter ihnen auch Ansgar Mertenser, der Oberbürgermeister von Lüdinghausen.  Hadassa Keren, Nichte meiner verstorbenen, langjährigen Freundin Anne Alexander, war sogar aus Holland gekommen.

Es folgte die liebe Eröffnungsrede von Konni Kleyboldt, dann die Worte von Gesche Karrenbrock über Heimat, verbunden mit schönem Gedicht. Die großartige Künstlerin Renate Grünewald zitierte ebenfalls ein wunderbares Gedicht, als sie erklärte, sie hat für mich ein Bild an den RWG Vorstand gegeben, das dieser mir zu meiner Freude geschenkt hat. Die Rede des Herrn Oberbürgermeister war ebenfalls sehr persönlich und er überrascht mich mit der Ehrung, mich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen! Ich weiß das sehr zu schätzen, da ich erfahren hatte, welche Größen sich dort zuvor verewigt hatten. Etwa der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher. An seiner Reise nach Ghana, Liberia und Sambia hatte ich in den 70er Jahren als Mitglied des Pressecorps teilnehmen dürfen, was mir unvergesslich geblieben ist, u.a. nicht nur, weil der leider vor kurzem verstorbene sambische Präsident Kaunda, mich mit Comrade Ruth „zuhause“ willkommen geheißen hatte, sondern auch weil ich ein Kindheitsidol in Ghana kennen lernte – den einstigen Kinderstar Shirley Temple, damals USA Botschafterin. Später lud sie die Presse zu sich ein, wobei ich ihr beim Kaffeekochen half und mich mit ihr unterhalten konnte.

Ruth Weiss – Signatur des Goldenen Buches der Stadt Lüdinghausen (c) C. Fleischer RWG

Ich hatte noch nicht alle Gäste richtig gesehen – da ertönten die unverwechselbaren Stimmen der „Signale“, deren Hereinkommen ich gar nicht bemerkt hatte.  So genoss ich ihren Happy Birthday song,  gefolgt von einer Auswahl ihrer afrikanischen Lieder! Ein wunderbares Geschenk, wie auch Maria Brümmer-Hesteras Rede. Der Chor setzt sich seit langer Zeit und sehr erfolgreich für südafrikanische Projekte ein und ist eine Ikone des politischen, freiwilligen Einsatz für die Armen der Welt, etwas, wofür sich die meisten der Gäste ebenfalls engagieren, freiwillig und ohne Erwartung einer verdienten Belohnung.

Wandteppich aus Zimbabwe zum 97sten Geburtstag

Das zeigte auch das großartige Geschenk von Dagmar Wolf, einen Wandteppich aus Zimbabwe, von einer Künstlerin, die eine Firma für Frauen gründet hat. Ich muss sehen, wo ich diesen aufhängen kann. Dagmar konnte leider aus gesundheitlichen Gründen nicht kommen und hatte Pari und Georg den einmaligen Teppich mitgegeben, wofür ich ihr und den beiden dankbar bin.

Eine weitere und großartige Überraschung war das Kennenlernen der schlauen Mama Sambona, dank der einmaligen Märchenerzählerin Ina Niehaus, Lüdinghausens eigener „Griot“ . Großer Beifall und meinem herzlichen Dank!

Dazu erfreute mich ein Anruf aus Südafrika von Lutz van Dijk, der sich dazu geschaltet hatte – vielen Dank! Möglich, dass andere es ebenfalls versuchten – ich danke allen! Auch Videogrüße wurden mit übermittelt.

Es war überhaupt ein Treffen und eine erstaunliche Anzahl lieber Mails mit und von guten Freunden, die ich in Deutschland,  aber auch in Ländern wie Großbritannien, Deutschland, Südafrika, Zambia, und Zimbabwe kennen gelernt hatte. Ich denke an die Boykottfrauen gegen Apartheid, an das Zimbabwe Netzwerk und freute mich, dass die Friedensfrauen eine junge Vertreterin gesandt hatten, dass einige der Salon Löwinnen aus Bochum gekommen waren, über Exile, PEN‘S Grußworte, die schöne persönliche Botschaft des Bundesabgeordneten Karsten Klein, sowie die ermutigende und ebenfalls sehr persönliche Karte von Ministerin Britta Ernst. Ich fühle mich von allen sehr geehrt.

Gemeinsam für Ruth’s starke Friedensbotschaft – ‚Familienfoto‘ mit dem Vorstand der Ruth Weiss Gesellschaft (c) C. Fleischer RWG

Mein Dankeschön an alle: Lutz, wie immer, für seine geniale Begleitung , diejenigen die mitgewirkt haben die Reise zu gestalten, mich zu fahren, die tolle Party zu gestalten, an die vielen Gäste und für alle E-Mails  und andere Botschaften, für die sagenhafte großzügigen Geschenke.

Eure Lobensworte gebührten mir nicht ganz, auch wenn sie wohl taten: denkt nur an die ‚Anonyme‘ und die anderen 998 Frauen, die für den Nobelpreis nominiert wurden, um ALLE Frauen der Welt zu vertreten, die im Stillen ihre Sache verrichten – sie haben viel mehr geleistet.

Es ist schwer wirklich die richtigen Worte zu finden – also: tjüss – und danke Euch allen für diese herrliche Reise! Lasst es Euch gut gehen –

ruth