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Trevor Grundys britische faschistische Kindheit

von Ruth Weiss

„JUDA VERRECKE“ Das rief täglich mit erhobenem Arm die heiß geliebte Mutter des 1940 geborenen Journalisten Trevor Grundy ihm als Grundschulschüler zu, wonach er den Gruß und Ruf erwiderte, ehe er zum Bus rannte.

Sidney und Edna Grundy waren stramme Faschisten als Altmitglieder der Union Bewegung – d.h. bereits Anhänger des Faschistenführers Sir Oswald Mosley vor dem 2. Weltkrieg. Trevor saugte die Ansichten der Eltern mit der Muttermilch auf. Es wunderte ihn, dass in anderen Haushalten über Sport, Garten oder Urlaub gesprochen wurde. Grundys lasen nur Zeitungen und politische Pamphlete. Außer Unions-Leuten hatte der Jugendführer der Union keine Freunde. Vorurteile, Intoleranz und Lügen, sowie die Verehrung des unantastbaren „Führers“ Mosley und Bewunderung Hitlers, prägten und vereinnahmten seine Kindheit und Jugend. Kein Wunder, dass er als 17jähriger in Trafalgar Square eine feurige Rede für die Bewegung des Barons Mosley hielt. Das Horst Wessel Lied, Lieblingslied des Vaters kannte er auf Englisch bereits als Kleinkind. Das Lied, das ich auf den Straßen von Nürnberg die Hitlerjugend mit Schrecken singen hörte, als sie an uns, dem jüdischen Kind mit seiner Mutter vorbei marschierten.

Vor wenigen Wochen erhielt ich eine E-mail von Trevor Grundy, den ich über 46 Jahre nicht mehr gesehen hatte, nachdem er mein Nachfolger in Lusaka bei der Times of Zambia und Financial Times Korrespondent geworden war, als ich zur Deutschen Welle gewechselt hatte. Eine bewegende Kontaktaufnahme nach langen Jahren.

Von Trevors faschistischer Vergangenheit hatte ich nichts gewusst. Aber auch nichts von seiner brutal ehrlichen Biografie „Memoir of a Fascist Childhood“ aus dem Jahre 1998, in der er von diesen ersten antisemitisch-vergifteten,  hasserfüllten, rassistischen 20 Jahren seines Lebens erzählt.  Dass Trevor nicht nur die Ansichten seiner psychisch gestörten Familie in Frage stellte und ihn zur Erkenntnis der Wahrheit – und zur Flucht – trieb, ist hoch anzuerkennen. Es ist gebührend, dass die Kritiker das Buch priesen und wichtig fanden.

Sein Buch gibt einen Blick in das Innenleben von Menschen wie etwa dem Täter, der im letzten Oktober am jüdischen Versöhnungstag auszog um in der Synagoge von Halle Juden zu ermorden. Dass ihm kein Massaker gelang – obwohl er aus Frustration dann zwei Menschen auf der Straße niederschoss –  lag lediglich an einer festen Tür. Der Mann, der die Tat zugab, soll demnächst vor Gericht gestellt werden. Trevors Buch legt offen, wie Unterprivilegierte und andere ‘Abgehängte’ einen Sündenbock benötigen, den sie leicht für ihre Fehler und ihr Schicksal verantwortlich machen können – und wie man zulässt sie Unsinniges glauben zu machen, wie etwa dass Juden an der Niederlage Deutschlands im Ersten, der Kriegserklärung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg schuld gewesen seien. Oder wie gedankenlos gespottet wird: dass ‘Juden und Radfahrer an allem schuld‘ seien.

Leider liegt dies nicht in der Vergangenheit sondern ist beschämende Gegenwart. 2019 hatte die Meldestelle RIAS über 1200 antisemitische Vorfälle allein in 4 Bundesländern erfasst. Ein AfD Abgeordneter behauptete 2018, der Zentralrat der Juden benütze „den Islam um in Deutschland multikulturelle Verhältnisse herbeizuführen.” In den USA gab es 2000 Fälle antisemitischer Angiffe, Vandalismus und Schikanen – die höchste Zahl seit die Anti-Defamation League ihre Tätigkit vor 30 Jahren aufgenommen hatte. Wie so oft in Krisen wurden Juden auch bereits für die Covid-19 Pandemie verantwortlich gemacht, sodass bei Demos in Bayern gelbe Sterne mit der Aufschrift „Impfgegner“ auftauchten und anti-lockdown als „sozialer Holocaust“ auf Schildern gezeigt wurde. Gespenster aus der Nazizeit und früherer Vergangenheit: so wurden im 14. Jahrhundert Juden während der Pestjahre beschuldigt, Brunnen vergiftet zu haben, obwohl der damalige Papst Clemens VI dies verneinte.

Nur mit Vernunft und menschlicher Anständigkeit können Vorurteile besiegt werden, wie Trevor Grundy zeigt und sein Leben beweist.