von Ruth Weiss
“Tiende pamodzi ndim’tima umodzi. Stand and sing of Zambia proud and free!”
Vor fast 50 Jahren wurden diese Worte von Sambia’s Präsident Kenneth Kaunda zum Ende des ersten Mittagessens seines Staatsbesuchs in Bonn nicht etwa gesprochen, sondern wirklich gesungen!
Wie immer stimmte er sein Lieblingslied an, begleitet von allen Sambiern. War das für Bundespräsident Walter Scheel damals in den 70er Jahren eine Überraschung? Für mich jedenfalls kam überraschend, dass KK, wie er liebevoll genannt wurde, seine Delegation zu sich an den Haupttisch gerufen hatte, und ich mich am sambischen Pressetisch nun allein befand. Ich hätte mitsingen können, doch ich wollte kein Aufsehen erregen und sicher hätte ich nicht so gut geklungen wir die Sambier, unter denen ich gesessen hatte. Und außerdem war ich damals bei der Deutschen Welle angestellt.
Nun ist der erste Präsident des seit 1964 unabhängigen Sambia, ehemals Nordrhodesien, im Juni 2021 mit 97 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben – KK, der letzte der ersten Generation jener jungen afrikanischen Führer, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs für die Befreiung von den Kolonialherren kämpfte.
Afrika hat einen seiner Helden verloren, seine Familie ihre Leitfigur, viele einen Freund, wie auch ich.
Nord- wie Südrhodesien und Nyassaland, das heutige Malawi, waren seit 1952 in der Zentralafrikanischen Föderation vereint, doch die gesamte afrikanische Bevölkerung der Region lehnte diesen Zusammenschluss ab. Nach Verhandlungen mit der britischen Kolonialmacht wurden Nordrhodesien und Nyassaland 1964 unabhängig, Südrhodesien musste bis 1980 kämpfen bis es endlich Zimbabwe wurde.
Als ein Jahr nach Sambias Unabhängigkeit die weiße Minoritätsregierung des Nachbarlandes Südrhodesien einseitig die illegale Unabhängigkeit erklärte, hatte das Kaunda’s Weg sehr beschwert.
Der Präsident hatte mit Optimismus eine gutgehende Wirtschaft übernommen. Diese war nun durch die Schliessung der Grenzen mit den weißen Nachbarn abgeschnitten vom Zugang zu wichtigen Häfen, was grosse Probleme für den Kupferexport und Verknappung der Konsumgüter bedeutete. Trotzdem weigerte er sich, Kompromisse einzugehen und blieb während der 27 Jahre seiner Präsidentschaft offener Gegner der Apartheid. Als er 1991 nach verlorener Wahl zurücktrat, hatte Südafrika endlich im Jahr zuvor seine rassistische Politik aufgegeben.
Kaunda’s Wahlniederlage hatte jedoch nicht unerheblich damit zu tun, dass seine anti-Apartheidpolitik, gepaart mit Wirtschaftsfehlern und zunehmend autokratischem Vorgehen, ihm Feinde gemacht hatte.
Nach seinem Rücktritt begann Kaunda einen neuen Kampf – gegen HIV, nachdem er offen erklärte, dass er einen Sohn durch AIDS verloren habe.
Wer war KK? Jedenfalls ein tief religiöser Mann, dem Familie, Frau und die neun Kinder wichtig waren, und der stets Volksverbundenheit zeigte.
Seine ersten Kampagnen begleitete er mit der Gitarre und mit der großen Sängerin Miriam Makeba machte er Musik. Sein Charme gehörte zu ihm wie das weiße Taschentuch mit dem er sich stets in der Öffentlichkeit zeigte – zum winken, auch zum Augentrocknen.
Wie so mancher Führer war er von seiner Aufgabe überzeugt, aber er hatte zuletzt bewiesen, dass er nicht wie viele andere machtbesessen war. Seine Mitbürger dankten ihm das, sodass er sich im Ruhestand als Erster Bürger wieder großer Beliebtheit erfreute.
Die Zeit der Auflehnung ist im Gedächtnis der heutigen Generation junger Afrikaner verblasst. Als Kaunda vor einigen Jahren bei einem Treffen mit jungen Menschen begann ‚Tiende pamodzi‘ zu singen, stimmten die Zuhörer nicht ein, wie er es einst gewohnt war.
„Ach“, sagte er, „Ihr habt es vergessen.“
Vieles mag in Vergessenheit geraten sein. Aber den lächelnden, freundlichen Ersten Präsidenten des unabhängigen Sambia wird die Geschichte seines Landes nicht vergessen.
Nota bene der RWG : Ein- und Rückblicke auf die Aera Kaunda finden Sie auch in vielen journalistischen Beiträgen von Ruth Weiss aus jenen Jahren, die Sie im Archiv der Basler Afrika Bibliographien nachlesen oder –hören können. Auch ihre Autobiographie ‚Wege im harten Gras‘ erschliesst uns die Zeit der Entkolonialisierung des südlichen Afrika durch ihre persönlichen Erfahrungsberichte mit führenden afrikanischen Politikern.