von Ruth Weiss
Die Angeklagten „waren die grausamen Henker, deren Terror die schwärzeste Seite der Menschheitsgeschichte schrieb. Der Tod war ihr Werkzeug und das Leben ihr Spielzeug.“
Damit begann Hauptankläger Benjamin Ferencz seine Eröffnungsrede vor 75 Jahren, genau gesagt am 20. November 1945, im Hauptprozess gegen die 22 Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs, der am 1. Oktober 1946 endete.
In einem Interview, das Ferencz, heute mit 100 Jahren der einzige noch lebende Hauptstaatsanwalt des Prozesses, kürzlich der ARD und DW vgl Link gab, erklärte er, dass keiner der damals Angeklagten Reue gezeigt hatte.
Mit drei Ausnahmen wurden die Angeklagten für schuldig befunden. Zwölf wurden zum Tod, davon einer in Abwesenheit verurteilt, die anderen zu Gefängnisstrafen von 10 Jahren bis lebenslang.
Strafverfahren bahnbrechend für die Entwicklung des Völkerrechts
In der Tat war dieser Prozess bahnbrechend – wie auch die 12 nachfolgenden, in welchen Ärzte, Juristen, Militär, SS, Polizei, Industrielle und Regierungsvertreter zur Rechenschaft gezogen wurden und am 14. April 1949 endeten. Durch diese Strafverfahren entwickelte sich das Völkerrecht, sodass in der Folge selbst Staatsoberhäupter oder ‚Schreibtischtäter‘ keine Straffreiheit geniessen würden. Die Menschenrechte wurden formuliert, Verbrechen gegen die Menschlichkeit erstmals juristisch definiert, und es wurde der intellektuelle Grundstein für den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gelegt.
Es ist gut in unserer Zeit, in der extrem rechtes Gedankengut wieder an die Oberfläche kommt, an diese Ereignisse zu erinnern. Schließlich hatte die Verteidigung der Täter damals zum Einen behauptet, dass die Straftatbestände, an denen die Naziverbrechen gemessen wurden, erst nachträglich formuliert worden seien, und hatte zudem versucht, die Prozesse als Racheakt der Sieger abzuwerten. Außerdem entstand zu jener Zeit dank der Publikation einer Denkschrift die Legende von der ‚reinen Wehrmacht‘, einer Wehrmacht, die Entscheidungen der NSDAP, SS, und die wichtigen Beschlüsse Hitlers nicht mitgetragen und Kriegsverbrechen nicht gebilligt hätte…
Legenden halten sich durch die Jahrzehnte….
In den 1920er Jahren ging ein jüdischer Scherz um, die ‚Juden und Radfahrer seien an allem Schuld‘. Nach der Shoah – dem Holocaust – wurde dieser Scherz begraben. Und nun scheinen zwar die Radfahrer in Vergessenheit geraten zu sein, aber die Meinung, dass die Juden Schuld an allem seien, kommt wieder zum Vorschein – man hat sich nun mal über 2000 Jahre gut daran gewöhnt. So war es für Verschwörungstheoretiker leicht, ihre wuchernden Theorien zu Covid-19 mit Antisemitimus zu verbinden: die Juden, Israel, die Rotschilds, der Philantrop George Soros stecken sicher hinter dieser Pandemie !
Und es bleibt eine Herausforderung, so etwas zu bekämpfen.
Logische Erklärungen fallen wie bei allen Verschwörungstheorien meist auf unfruchtbaren Boden. Erinnerung und Faktencheck tun Not!