von Ruth Weiss
Oft wurden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch eine Reihe von Staatsstreichen die ersten Führungsriegen nach der Unabhängigkeit verdrängt. Damals hieß es, die Armee sei die effizienteste Struktur, die die Kolonialmächte hinterlassen hätten, darum habe ihre Ungeduld mit der Ineffizienz (demokratischer) Regierungen, deren Misswirtschaft oder auch persönlicher Ehrgeiz es ihr ermöglicht, die dem Land vermachten Verfassungen zu stürzen und die Kontrolle zu übernehmen. Eine Studie des US-Professors Jonathan Powell zeigt, dass es zwischen 1960 und 2000 insgesamt durchschnittlich vier Staatsstreiche und Putschversuche pro Jahr gab.
Der Februar-Gipfel der Afrikanischen Union (AU) markierte den 20. Jahrestag ihrer Neugründung in der Nachfolge der 1963 gegründeten Organisation der Afrikanischen Union (OAU). Der Gipfel wurde jedoch überschattet von einem kurz zuvor am 23. Januar erfolgten Putsch in Burkina Faso. Einer von mehreren in den letzten Jahren – am 1. Februar war ein Putschversuch in Guinea-Bissau gescheitert, einem Land, das seit seiner Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1974 bereits vier Putsche erlitten hatte. Moussa Faki Mahamat aus dem Tschad sprach von einer Katastrophe und bezeichnete Staatsstreiche als absolut inakzeptabel, und der Gipfel verurteilte solch verfassungswidrige Machtergreifungen.
In den letzten Jahren erlebten Staatsstreiche ein Comeback. 2020 fand ein Putsch in Mali statt, dem 2021 vier weitere erfolgreiche Putsche folgten: im Tschad, ein weiterer wieder in Mali, in Guinea und im Sudan.
Was steckt hinter dieser „Epidemie der Staatsstreiche“, wie sie der UN-Generalsekretär Antonio Guterres beschrieben hatte?
Wachsende Legitimitätskrise der Herrschenden
Es ist ohne Zweifel eine Mischung von etlichen Ursachen, wie auch die Meinungen von Experten zeigen. So sagte Prof. Powell, wie von Al Jazeera zitiert, dass die Militarisierung inmitten einer „zunehmenden Krise“ der Legitimität von Herrschenden erfolgt. Man muss ihm Recht geben angesichts der Tatsache, dass Staats- und Regierungschefs ihre verfassungsmäßigen Amtszeiten ‚verlängern‘ oder die Verfassung manipulieren, um Menschenrechte wie die Meinungsfreiheit einzuschränken. Andere Stimmen sprechen von beteiligten externen Akteuren.
Armut, Arbeitslosigkeit und schlechte staatliche Dienstleistungen
Der Wunsch nach Veränderung wird meines Erachtens sicherlich auch durch Armut, Arbeitslosigkeit und schlechte staatliche Dienstleistungen ausgelöst, was nur allzu oft gepaart ist mit Korruption und Vetternwirtschaft der Elite. Junge Menschen sind frustriert über schlechte Bildungschancen und Ausbildung und geringe Joberwartungen. Die Unterstützung des Militärs, das die Herrschaft eines unpopulären Führers beendet, ist verständlich, auch wenn sie keine nachhaltige Lösung darstellt.
Menschliche Sicherheit vernachlässigt
Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Unsicherheit. Seit Mitte der 2010er Jahre leidet besonders die Sahel-Region unter einem Anstieg des islamistischen Terrors. Innerhalb des Dreiecks Mali, Niger und Burkina Faso operieren verschiedene militärische Gruppierungen grenzüberschreitend, einige teilweise mit IS, andere mit al-Qaida verbündet. Eine Million Menschen wurden dadurch bereits intern Vertriebene, wobei die Kämpfe gegen die Milizen viele Menschenleben gekostet haben.
Das Verhalten externer Akteure
Ja es spielt eine Rolle. Der Westen hat oft Putschisten akzeptiert und damit demokratische Praktiken geschwächt. Dadurch rechnen die Anführer eines Staatsstreichs damit, dass sie keinen Gegenwind erhalten werden. China mischt sich nicht in die lokale Politik ein, betätigt sich aber in Afrika durch seine Hilfe und Investitionen unter Ausnutzung der Konditionen. Auch Russland hatte seine Muskeln eingesetzt, um seinen Einfluss in Afrika auszuweiten.
Mamady Doumbouya, die vorläufige Präsidentin nach dem Putsch in Guinea-Bissau 2021, wurde damals zitiert mit: „Wir werden die Politik nicht länger einem Mann anvertrauen. Das überlassen wir dem Volk.“
Leider ist Aera der ‚langen Herrschaft eines Mannes‘ in ganz Afrika noch lange nicht zu Ende. Auch sind nicht alle Wahlen fair und frei und entsprechen so nicht den Willen des Volks.