Afrika und die Entwicklungsziele

von Ruth Weiss

2030 ! In acht Jahren erreichen wir das Zieljahr der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals SDGs) – aber werden wir erreichen, was die Welt sich vorgenommen hat? Da muss wohl noch sehr viel in sehr kurzer Zeit mit sehr großem Bemühen umgesetzt werden, vor allem auf dem afrikanischem Kontinent.

Afrika auf Augenhöhe begegnen

Afrikas Kolonialzeit und die Neo-koloniale Ära nach dem 2. Weltkrieg haben einer Neuzeit Platz gemacht. Das Afrika der anti-kolonialen Kriege, der Unabhängigkeitswelle und der ersten Entwicklungsdekade der Sechziger ist längst Geschichte.

Die Bevölkerung des Kontinents ist global am schnellsten gewachsen seit 1967 und erreichte 1,37 Milliarden im Jahr 2021 – bis Ende des Jahrhunderts wird sie auf 4 Milliarden anwachsen, so die Schätzungen. Aus Dörfern sind Städte geworden, laut der UN aus einigen Städten Megametropolen mit mindestens 10 Millionen wie Kairo, Kinshasa, Lagos und Dar es Salaam, und auch Johannesburg und Luanda werden bis 2030 auf 10 Millionen angewachsen sein.

Afrika ist so zu einem beachtlichen Markt der Zukunft geworden, mit dem auf der sprichwörtlichen Augenhöhe zu verhandeln ist. Entwicklungszusammenarbeit darf nicht wie so oft als Politik des Gebens betrachtet werden. Leider fehlt es Vielen an Zukunftsperspektiven zuhause, sodass wir weiter meeresuntüchtige Schiffe kentern sehen und Menschen sterben auf der Suche nach einem besseren Leben.

Sterben auf dem Mittelmeer – muss da nicht auch einiges bei den Entwicklungsplänen neu überlegt werden?

Für viele Afrikaner steht nur zu oft Armut, Hunger, Arbeitslosigkeit im Zentrum ihres Lebens, was zu Migration führt – und leider auch allzuoft zur Flucht vor autokratischen, korrupten Regierungen, welche die Menschenrechte krass verletzen. Sollte die EU nicht eine Migrationspolitik mit der Afrikanischen Union verhandeln, die Möglichkeiten eröffnet, wie Afrikaner sich legal um einen Einwanderungsstatus in der EU bewerben können? Ihre Arbeitskraft wird gebraucht und zwar nicht als Handlanger, sondern als ausgebildete Facharbeiter und in verschiedenen Berufen.

Wertschöpfung und Arbeitsplätze vor Ort statt Ausbeutung der Ressourcen

Gleichzeitig benötigt der Kontinent für seine Entwicklung gut angelegte Investition einschliesslich Transfer des Know-how, um die Industrialisierung zu fördern –  weg von der Ausbeutung seiner un- oder halb-veredelten Naturressourcen und des damit einhergehenden schleichenden Landraubes, weg vom beschränkten Export der ex-Kolonialgüter wie Kaffee, Tee, Blumen oder Touristenandenken. Wertschöpfung und Arbeitsplätze müssen geschaffen werden um Stabilität zu erzeugen. Dem Afrika von heute müssen Märkte eröffnet werden.

Europäische – vor allem deutsche –  Wirtschaftsunternehmen hatten in den 60er Jahren zur Apartheidszeit in Südafrika investiert und zur Industrialisierung beigetragen. Damals lieferte Deutschland auch Waffen, was heute weiter der Fall ist, wie beispielsweise an Kairos Militärregierung. Unternehmen sollten heute von ihren Regierungen ermutigt und abgesichert werden, um in Afrika mit Zuversicht gesamtwirtschaftlich zu investieren. Das sollte gleichzeitig zur Bekämpfung des Klimawechsels beitragen durch klimafreundliche Energie, und die Folgen der Covid Pandemie mindern und das Schaffen besserer Lebensbedingungen ermöglichen. Vor allem die Ernährungsunsicherheit sollte durch Modernisierung der Landwirtschaft gestärkt werden. Einen besonderen Augenmerk verdient der Aufbau nachhaltiger Gesundheits- und Bildungssysteme. Infrastrukturprojekte, welche eine nachhaltige Entwicklung fördern.

Good governance – ein Bonitätscheck

Wie es jüngste Berichte von UN und der Weltbank zu einigen afrikanischen Ländern leider gezeigt haben, dürfen dabei Themen wie gute Regierungsführung und Respekt der Menschenrechte nicht unangesprochen bleiben – auch weil zum guten Geschäft die Bonitätsprüfung gehört. Die humanitäre Tätigkeit der zivilen Nicht-Regierungsorganisationen wie die internationale Hungerhilfe wird im krisengeplagten Kontinent wird ebenfalls weiterhin nötig sein, doch sollten die Brücken zur nachhaltigen Wirtschaft stets bestehen bleiben.

Kooperation neu orientieren – eingedenk des Klimagipfels

Das Konzept „Entwicklungskooperation“ in einer patriarchalen Grundstimmung ist nicht zeitgemäß. Inzwischen setzen Afrikas Regierungen auf eigene Wirtschaftspolitik, wie etwa die geplante Koordination der Transportsysteme im südlichen Afrika, was den Binnenländern zugute kommen soll.  Zudem hat Europa nicht mehr den Vorrang als wichtigster Partner afrikanischer Länder, man braucht nur an China, Russland, USA zu denken sowie an Indien oder der Turkei. Wirtschaftliche Zusammenarbeit sollte neu überlegt werden zwischen der EU und der Afrikanischen Union, um Ziele nach­haltiger Entwicklung verbunden mit Frieden, Freiheit, Menschenrechten durchzusetzen. Auch der Klimagipfel 2021 hat wichtige Wege der Zusammenarbeit aufgezeigt.

Die Liste des „müsste“ und „sollte“ kann leicht weiter geführt werden. Sicher ist eins: es muss noch viel geschehen bis die Ziele 2030 erreicht werden. Und das heißt wie seit langem: strukturelle wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit angehen, um diese zu mindern und letztendlich zu beseitigen. Kurz gesagt: mehr Unterstützung der Menschenrechte, Demokratie und guten Regierungsführung.