von Ruth Weiss
Kongo und Chaos : das wurde fast zum Sammelbegriff für die Demokratische Republik Kongo seit der unvorbereiteten Unabhängigkeit von Belgien am 30. Juni 1960. Das zweitgrößte afrikanische Land mit 2 345 Quadratkilometern glitt aus der unheilvollen Kolonialzeit in die Hände von Diktatoren und versank in endlose Bürgerkriege. Die Korruption uferte aus. Sein Reichtum an Bodenschätzen wurde der Bevölkerung zum Verhängnis, wie etwa Coltan, Diamanten, Erdöl, Gold, Kupfer, Platin, Uran – aber auch seine fruchtbare Erde und Regenwälder mit vielen Pflanzen- und Tierarten. Weder Belgien noch die nachfolgenden afrikanischen Politiker etablierten ein effizientes Regierungssystem. Das Rechtswesen blieb unzulänglich und die Rechtssicherheit eingeschränkt. Es fehlt an Disziplin in der Polizei, guter Ausbildung und guter Bezahlung. Das Militär ist mächtig.
Die Europäischen Großmächte überließen auf der Berliner Kongo-Konferenz von 1884/5 dem belgischen König Leopold II freie Hand über dieses Herz Afrikas. Er machte es zum Privatbesitz, beutete grausam die Bevölkerung und Bodenschätze aus, musste diesen aber 1908 an den belgischen Staat abgeben. Dieser führte die menschenfeindliche Ausbeutung fort. Die Unabhängigkeit wurde 1960 kurzfristig erklärt, ohne politische Bildung oder eine demokratisch vorbereitete Bevölkerung. Unterschiedliche, auch ausländische Interessen führten sofort zu Zersplitterung, und in der Folge zur Ermordung des charismatischen Patrice Lumumba, der Machtübernahme des Diktators Mobutu und zu den Wirren der bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen mit Milizen und sogenannten Warlords. Ausländische Regierungen und Wirtschaftsinteressen, darunter auch westliche, internationale Firmen, Einzelpersonen und kongolesische Gruppen waren darin verwickelt. UN Generalsekretär Dag Hammarskjöld kam während einer Friedensmission 1961 auf dem Flug von Kongo nach Nordrhodesien durch einen Flugzeugunfall in Nordrhodesien – heute Sambia – ums Leben, dessen Ursachen b heute umstritten bleiben [Photo: UN 1961].
Mobutu der das Land Zaire nannte, beutete dieses ebenfalls schamlos aus, was wiederum unzählige Kongolesen das Leben kostete. Dazu erhöhten Landreformen und Migrationsbewegungen von Millionen Menschen in Nachbarländern die Spannungen in der kongolesischen Bevölkerung, besonders im Osten, dem Gebiet um die Großen Seen, das an Uganda und Ruanda grenzt. Nach dem Völkermord in Rwanda und mit der Ankunft von Tausenden von Flüchtlinge hatte Mobutu kaum mehr das Sagen über den Ost-Kongo.
Der Diktator musste 1997 Laurent Kabila Platz machen, in dessen Zeit der Interessenkonflikt über die Naturschätze zwischen der Regierung, deren Gegnern und Nachbarländern wie Angola, Namibia, Rwanda, Uganda, Zimbabwe offen gelegt wurde. Der Staat versagte beim Schutz seiner Bürger, drei Millionen starben, weitere Millionen flüchteten, 16 Millionen hungerten. Kabila wurde 2001 ermordet, sein Sohn Joseph trat seine Nachfolge an, doch weder Ausbeutung noch Konflikte endeten, trotz der Anwesenheit einer UN Mission im Osten des Landes und der langjährigen, wiederholten Versuche der Vereinten Nationen Frieden zu stiften. Erst im Dezember 2019 wurde Joseph Kabila abgelöst, als der als Oppositionskandidat geltende Felix Tshisekedi als Sieger aus der verspäteten und umstrittenen Präsidentenwahl hervorging.
Die so oft enttäuschte Bevölkerung der Demokatischen Republik Kongo verdient einen Neuanfang.