von Ruth Weiss
Am 21. Februar 2021 eröffnete ein Festakt offiziell das Jahr 2021 als das Jahr 1700 Jahre Jüdischen Lebens in Deutschland. Frau Sylvia Löhrmann, damals Staatssekretärin und Generalsekretärin des Vereins 321 wird in dem großartigen Buch „Rückblick“ zitiert: Sie sei beeindruckt gewesen, wie die jüdische Diversität aufgefächert wurde. In der Tat wird diese Diversität im „Rückblick“ treffend dargestellt**.
Während meines interessierten Lesens kam mir Vieles wieder in Erinnerung. Dabei konnte auch das liberale Judentum, die jüdische Reformbewegung nicht fehlen, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert in Deutschland hatte. Heute ist diese in den USA wichtig.
Meine Gedanken und Erinnerungen wanderten erneut nach Deutschland und zum Leben und Sterben einer ungewöhnlichen Frau, die lange in Vergessenheit geraten war: Regine Jonas, die erste Rabbinerin Deutschlands. Inzwischen kann man einiges über ihr Leben und Wirken auch mit ‚googlen‘ erfahren. Es lohnt, sich das Leben und Wirken der Regin Jonas in diesen Zeiten wieder vor Augen zu führen:
Im Berliner Scheunenviertel in einer orthodoxen Familie geboren, studierte sie an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums für liberale Rabbiner, wie auch einige andere Frauen. Sie war die einzige, die entschlossen war ein Rabbi zu werden. Ihre Abschlussthese, die gerade diese Frage eines weiblichen Rabbiners betrifft, wurde 1930 angenommen. Rabbiner Leo Baeck, der Jonas unterichtet hatte und sie als „denkenden und agilen Prediger “ bezeichnete, enthielt ihr jedoch die Ordination, da er sich nicht mit den orthodoxen Rabbinern anlegen wollte.
Frau Jonas unterrichtete Religion und predigte inoffiziel, bis Rabbiner Max Dienemann sich für sie einsetzte, sodass sie, wenn auch von einigen umstritten, 1935 ihre simcha erhielt und ordiniert wurde. Während Berlins Reformsynagoge ihr verschlossen blieb, nahm die Zionistische Frauenbewegung sie an und ermöglichte ihr weitere Beiträge, auch Anstellungen in kleineren Gemeinden. Sie erwog wohl die Auswanderung nach Palästina, wie aus einem Brief an Martin Buber hervorging. Anscheinend blieb sie wegen ihrer betagten Mutter in Deutschland.
Im November 1942 wurde Rabbi Jonas, nach Enteignung all ihren Besitzes, nach Theresienstadt deportiert. Sie agierte dort über zwei Jahre als Rabbiner und war auch Mitglied einer Gruppe, die unter anderem Konzerte und Vorträge organisierte.
Mitte Oktober 1944 wurde sie mit dem gesamten Jüdischen Rat nach Auschwitz deportiert, wo sie als 42jährige ermordet wurde. Dies war eins der letzten Hassaktionen der SS, denn im November befahl SS-Kreisführer Himmler das Ende der Vergasungen in Auschwitz.
Für Rabbi Regine Jonas, diese bemerkenswerte Pionierin und bis heute fast unbekannte Frau*, wie für so viele andere Opfer kam der Befehl zum spät, zum grossen Leid und Verlust ihrer Familien, Freunde und ihres Volkes.
* Rocco Thiede im Deutschlandfunk 16.1.2016
** Hinweis auf eine kommende Veranstaltung der Leipziger Buchmesse mit Frau Löhrmann!