Erinnerungen an Mauritius – 1968 als jüdischstämmige Journalistin zur Unabhängigkeit – und das Schicksal der dort 1940-45 internierten Juden

von Ruth Weiss

Während meiner Tätigkeit beim Londoner „Guardian“ in den späten 1960er Jahren wurde ich nach der Unabhängigkeit von Mauritius 1968 von der Regierung des Sir Seewoosagur Ramgoolam eingeladen, die Insel zu besuchen und darüber zu berichten – sogar bei einer Kabinettssitzung durfte ich anwesend sein. Während dieser Reise erfuhr ich von einer Gruppe Flüchtlinge, die während des II. Weltkriegs von 1940 bis 1945 dort interniert waren.

Ich wollte über diese fast unbekannte Episode schon längst schreiben, aber während meiner Jahre als Journalistin gab es für derartiges keine Zeit. Doch im Dezember 2020 war der 80. Jahrestag der Ankunft der Schiffe in Port Louis mit diesen Menschen, sodass ich vor einigen Monaten endlich begann, mich intensiv damit zu befassen.

Buchtitel The Mauritian Shekel, Geneviève Pitot – Dokumentargeschichte, jüngstes Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Mauritius Detainee Memorial

Das Resultat ist ein Romanmanuskript, das diese Geschichte mit fiktiven Persönlichkeiten wiederbelebt.

In „Bag Them All!“ erhält Norah Hillel 2014 den Nachlass ihres Großvaters, der sie in die 30er und 40er Jahre zurückversetzt. Aus Dokumenten, Tagebüchern und ihren eigenen Recherchen erfährt Norah von dem Schicksal der eigenen Familie sowie von dem einer Gruppe von 3600 Flüchtlingen aus Danzig, Wien, Bratislava und Entlassenen aus dem KZ Dachau. Diese wurden 1939 von Adolf Eichmann bei seinem Bestreben, Juden auszuweisen, unter menschenunwürdigen Umständen über die Donau nach Rumänien, dann über das Schwarze Meer nach Palästina transportiert.

Nach der Nazi-Deportation nach Palästina kam nicht die Freiheit, sondern die Verschickung nach Mauritius

Die Briten, nach dem Fall Frankreichs an Nazideutschland von Churchill angewiesen, alle Deutschen einzusperren – „Bag them all!“ – und im Unmut über diese illegalen Einwanderer in ihr Mandatsgebiet, wollten die Flüchtlinge auf die Insel Mauritius bringen. Die paramilitärische jüdische Organisation „Haganah“ versuchte das mit Gewalt zu verhindern. Es wurden nach tragischen Auseinandersetzungen mit Todesopfern noch 1584 dieser Vertriebenen nach Mauritius verschickt. Dort wurde die Gruppe unter Trennung der Familien im Gefangenenlager festgehalten, fast fünf Jahre lang.

Die Recherchen der Enkelin Norah in Deutschland, Österreich, Slovakien und Ungarn nehmen sie mit in schwere Zeiten, sie erfährt über die Trennung und Zerstörung ihrer Familie, einer unter so vielen Tausenden anderer, durch Enteignung, Ausweisung und gezielten Mord, – aber auch über die bewegenden Umstände des überlebens im mehrfachen Exil.

Das Jahr 2014 habe ich nicht zufällig gewählt – es ist das Jahr, an dem es gelang, eine Gedenkstätte auf Mauritius zu eröffnen, deren Kuratoren auch den dortigen Jüdischen Friedhof pflegen und nachhaltig an das Schicksal dieser Flüchtlingsgruppe erinnern.

Der Friedhof der jüdischen Internierten in Beau Bassin, Mauritius Foto: Roni Mikel Arieli f. RWG

NB Die Ruth-Weiss-Gesellschaft e.V. sucht einen interessierten Verlag für die Veröffentlichung dieses einfühlsamen Romans, der auf Englisch vorliegt und derzeit ins Deutsche übersetzt wird. Angebote bitte an ruth_weiss_ev@web.de oder Kontaktaufnahme über diese Webseite.